Sonntag, 11. Oktober 2009
Ende
Eine Stunde vorher war ich noch da. Sein starrer Blick ging aus dem Fenster. Sein Atmen ging schwer, laut, oberflächlich, schnell. Gelegentlich zitterte er und zog die Augenbrauen erstaunt weit nach oben. Dann giff ich nach seiner Hand oder streichelte seine Schulter. Der Rest war Schweigen.
Als ich ging, wusste ich, dass meine Mutter später nochmal kommen würde.

Als meine Mutter dann bei ihm eintraf, war unsere Oberlieblingsschwester kurz vorher da gewesen und hatte ihm den Mund mit Tee befeuchtet. Sein Atem ging nur noch ganz leise, langsam und flach. Seine Augen hatte er geschlossen. Allmählich wurde sein Atem immer weniger hörbar, der Puls nicht mehr tastbar. Jegliche Farbe verschwand aus seinem Gesicht, die Muskulatur erschlaffte. Er hatte es geschafft.

Ich musste später nochmal hin. Ich musste ihn so sehen, bevor der Bestatter ihn abholte. Ich musste ihn ohne Kampf und ohne Leid sehen. Ich musste ihn so sehen, um es glauben zu können.
Was ich da im Bett liegen sah, mit einem kleinen Kreuz in den friedlich gefalteten Händen, das war nicht mein Vater. So hat er nie ausgesehen. Er war schon weg.

Und jetzt? Jetzt weine ich andauernd und wundere mich über mich selbst. Es war doch klar, dass es jetzt bald so kommen musste. Der Zustand war nun definitiv nicht mehr lebenswert. Er hatte oft und viel Schmerzen. Innere oder äußere Musik erreichte ihn nur noch selten. Es ist gut, dass er es jetzt geschafft hat. Und eigentlich müsste eine Last von mir fallen. Aber das tut es nicht. Ich weine.

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Samstag, 10. Oktober 2009
† Samstag 10.10.2009, 16:45 Uhr

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Donnerstag, 8. Oktober 2009
Situation heute
Bei mir war heute Business as usual. Die Chefin begrüßte mich morgens um 8:30 mit besorgtem Blick zum ersten Termin mit den Worten Schön, dass sie da sind. Ich hatte nicht mir ihnen gerechnet. Geht es ihnen gut? Ich schilderte ganz kurz in 3 Sätzen die Situation, dann gingen wir in den Termin mit meiner bald neuen Kollegin, mit der ich mir ein Büro teilen werde. Im Laufe des Vormittags kamen meine Kopfschmerzen mal wieder, die sich auch mit Ibuprofen nicht eindämmen ließen. Mittags dann der nächste Termin mit einem Dienstleister. Der Termin dauerte 3 Stunden und nun bin ich endlich zuhause. Die Pizza ist im Ofen, mein Magen wartet sehnsüchtig darauf.
Ich habe eben auch gleich meine Mutter angerufen und nach dem Stand der Dinge gefragt. Hörbar genervt erzählte sie mir, dass mein Bruder völlig besoffen am Bett meines Vaters gestanden und laut lamentiert habe, als meine Mutter mit ihrer Schester das Zimmer betrat. Eine Schwester erzählte ihr später, dass er schon 2 Stunden da sei. Er hat sich dann aber nach 10 Minuten verabschiedet, als er merkte, dass ihm keiner zuhört. Sehr unpassend. Schrecklich! Warum muss er sowas in einer solchen Situation tun? Ist das Ganze nicht schon schrecklich genug?
Ich habe dann aber doch noch erfahren können, dass es meinem Vater unverändert schlecht geht. Morgen fahre ich wieder hin, wenn es sich lohnt...

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Mittwoch, 7. Oktober 2009
Weiter warten
Den Nachmittag habe ich an der Nähmaschine verbracht und 2 Hosen geflickt. Wenn hier nicht gerade große Gewichtsreduktionswelle im Haushalt wäre, hätte ich sicherlich gebacken. Aber ganz im Sinne der Vernunft und der Beschäftigung meiner Hände, widmete ich mich also dem Flicken der beiden Jeans, die es schon seit einiger Zeit nötig haben.

Später, nachdem G. Feierabend hatte, rief zufällig meine Mutter an und erzählte, wer am Nachmittag noch da war. Sogar mein Bruder ist noch vorbei gekommen. Ich bin froh, nicht da gewesen zu sein. Ich brauche Ruhe, wenn ich bei meinem Vater bin. Ich will für ihn da sein, nach den richtigen Worten suchen und sie aussprechen, wenn ich mal wieder welche gefunden habe. Ich will aber in erster Linie schweigen. Das geht mit den meisten Menschen nicht. G. äußerte den Wunsch auch nochmal bei meinem Vater vorbei zu fahren, was wir dann auch taten.

Mittlerweile war er umgelagert, atmete leise, schlief anscheinend. Wobei der Unterschied zwischen wach sein und schlafen bei ihm nur noch schwer auszumachen ist. Schwester L. kam hinein. Sie ist eher herb, macht einen sehr schroffen Eindruck, wenn man sie nicht kennt. Aber sie ist eine die anpackt und immer eine Idee hat, wie man jemandem helfen kann, wie man jemandem seinen Weg erleichtern kann. Sie bat uns, leise zu sein und meinen Vater eher in Ruhe zu lassen. Das war für uns aber ohnehin selbstverständlich.
Plötzlich hustete mein Vater schwach und man konnte hören, welche Sekretmengen, in seiner Lunge stecken müssen. Von da an, atmete er wieder schwerer, stöhnte bei jedem Atemzug, der jeweils von einem Rasseln begleitet wurde. Gelegentlich setzte das Atmen völlig aus... sowohl bei ihm, als auch bei uns. Doch dann atmete er weiter...

Wenn man so an seinem Bett sitzt, ihm beim Atmen zuhört und ihn beobachtet, denkt man, er hört jeden Moment einfach auf, atmet nicht mehr. Die Augen bleiben zu. Der Körper entspannt.

Eben rief ich nochmal meine Mutter an. Fragte, wie es ihr gehe. Sie wirkt immernoch, wie ein Fels in der Brandung. Sie hat alles im Griff. Aber wenn man leise ist, ahnt man wie schwach sie unter ihrer Schale ist.

Es wird Zeit. Ich wünsche ihm einen guten Weg.

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Warten
"Sterben geht in den seltensten Fällen so schnell, wie im Film" sagte die Schwester, die eine kleine Duftlampe ins Zimmer brachte. "Meist dauert es eine ganze Weile, vor allem bei Demenz, wie bei Ihrem Mann" sagte sie zu meiner Mutter gewandt. "Es ist nicht leicht, aber gönnen Sie ihrem Mann zwischendurch auch einige Zeit allein, sonst schafft er den Abschied nicht." Sie hatte Tränen in den Augen, nickte uns kurz zu und ging leise aus dem Raum.

"Er hat heute Morgen 2 Mal meinen Namen geschrien" erzählte meine Mutter leise. "Schwester Isabell hat mich sofort angerufen und ich bin gleich gekommen." Wir schweigen eine Weile und ich halte die Hand meines Vaters. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich würde mich am liebsten neben meinen Vater legen und ihn fest halten. Er sieht so klein aus zwischen den Kissen und Decken. Und er atmet so schwer.

"Ich wollte I. und H. eben absagen. Sie wollten ihn heute besuchen. Aber sie kommen trotzdem kurz vorbei. Und I2 und H2 sind auch in der Stadt. Ich erreiche sie aber nicht. Die werden wohl auch vorbei kommen. Deine Geschwister wissen auch schon Bescheid. C. setzt sich gleich in ein Taxi."
Dann schweigen wir wieder.

Meine Schwester kommt. Sie weint. Wir umarmen uns, sie umarmt meinen Vater, so gut es geht und setzt sich neben uns.

Meine Mutter bittet mich, G. eine SMS zu schreiben. Er soll schon mal die Telefonnummer des Bestatters raussuchen. Eine Schwester hatte sie vorsichtig gebeten, schon vorab mit denen zu sprechen, damit sie meinen Vater mit einem Sarg abholen und nicht im Leichensack. Das sei würde- und liebevoller.

Dann kommen die Freunde. Ich begrüße sie und verabschiede mich zugleich. Es wird zu voll. Ich kann das nicht ertragen. Weg. Nur weg!
Später komme ich in Ruhe wieder. Vielleicht.

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Dienstag, 29. September 2009
Abgelehnt
Freitag ging es meinem Vater mal wieder sehr sehr schlecht. Das Fieber ging auf über 41°C hoch, er hatte Schmerzen trotz stärkerem Morphium-Pflaster, aß nicht, trank nicht und schlief noch mehr, als sonst schon. Meine Mutter saß an seinem Bett und las.
Irgendwann wachte er auf. Meine Mutter ging zu seinem Bett und nahm seine Hand. Er sah zu ihr hoch und sagte traurig: "Sie haben mich nicht genommen."

Kurz drauf ging das Fieber endlich wieder runter.

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Mittwoch, 16. September 2009
Ich hätte nicht gedacht, dass er noch mehr abnehmen können würde. Konnte er. Dabei isst er oft ziemlich gut. Aber er spricht dafür noch weniger, schaut einen seltener an, reagiert aber immerwieder treffend auf Fragen. Musik kommt nur noch seltener bei ihm an. Er hat jetzt immer Fieber, immer Schmerzen. Der Harnwegsinfekt ist nun gar nicht mehr in den Griff zu kriegen. Wegen der Schmerzen bekommt er jetzt Morphium-Pflaster. Die kleinste Dosis kann aber schon nicht mehr helfen. Immer wieder muss zusätzlich gespritzt werden. Die Schwestern wissen meist nur nicht wo! Subcutan sollte die Spritze gesetzt werden. Doch da ist nicht mehr viel zwischen Haut und Knochen. ...

Tja.

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Donnerstag, 20. August 2009
Zeitlupe unter der Glasglocke
Es fühlt sich an, wie der Moment vor einem großen Unfall. Jede Millisekunde, jede Bewegung der Umgebung wird schmerzhaft langsam wahrgenommen. Jedes Wort, das jemand an mich richtet wird auf die Feinwaage gelegt und ausgewertet. Die Nerven liegen blank. Ich friere mein Leben ein und warte. Gute Tage können mich kaum noch erfreuen, denn ich weiß, dass schlimme Tage auf mich warten. Pläne für die Zukunft werden vehement unterdrückt. Sie passen gerade nicht in mein Leben. Im Beruf funktioniere ich so gerade noch. Sobald ich aber die Bürotür hinter mir schließe, sackt mein Nervenkostüm in sich zusammen. Alltägliche Dinge passieren mechanisch - ohne nachzudenken. Muss ja sein. Einiges lasse ich aber auch einfach liegen. Es ist so vieles so unendlich unwichtig. Ein Haus? Ein Auto? Karriere? Jetzt nicht! Ein Konzert besuchen? Vielleicht. Irgendwann. Essen? Egal. Hauptsache satt. Menschen treffen? Menschen? Ach so... die anderen da draußen, die fröhlich lachen und über die hohen Temperaturen stöhnen. Ja, vielleicht. Das kann ich auch gut. Da falle ich nicht auf mit meinen Ringen unter den Augen und den Mundwinkeln, die nur ganz selten ihren Weg nach oben finden.
Die Beziehung hat es hier auch gerade nicht leicht.

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Montag, 3. August 2009
dumpf
Es ist, als hätte jemand eine nur leicht transparente, Lärm dämmende Decke über mich geworfen. Ich nehme meine Umwelt wahr, interessiere mich auch dafür, aber sie kann mich nicht zum Lachen oder anderen Reaktionen bringen. Nur zum Weinen. Traurigkeit ist gerade die einzige Emotion, die mir heute zur Verfügung steht. Sollte ich Lachen oder andere komische Dinge tun, sind sie weniger echt, als sie scheinen.

Heute macht G. sich auf den Rückweg aus dem Urlaub. Morgen Mittag wird er hier sein. Ich freue mich auf zaghafte Weise darauf. Vielleicht einer, der für mich da ist? Einer, der mich in den Arm nimmt? ... von dem ich in den Arm genommen werden will?

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Sonntag, 2. August 2009
Regensonntag


Bindfadenregen und sonst heute keine besonderen Vorkommnisse bei meinem Dad. Er ist weder besonders gut gelaunt, noch geht es ihm schlecht. Er ist grummelig, kratzt sich ausgiebig die Füße, isst aber gut. Muss am Wetter liegen. Geht mir nämlich auch so. Abgesehen von den Füßen.

Ich selbst werde den Tag wahrscheinlich völlig vergammeln und ihn Keksen, Kakao und TV widmen. Es könnte sogar sein, dass ich die Kekse selbst backe. Mal sehen, was für Zutaten ich so im Haus habe.

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recording time: 6888 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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Ich bin auch gern hier....
Ich bin auch gern hier. Es fühlt so geborgen an....
by diagonale (2014/01/25 19:09)
Ich erinnere mich auch...
Ich erinnere mich auch noch gut an diese Geschichten,...
by giardino (2014/01/25 18:42)
Retrospektive
Eine unserer kanadischen Musikerinnen, Christina Martin,...
by diagonale (2014/01/25 14:35)
Was kleines fluffiges...
Was kleines fluffiges sagt. Sie fehlen.
by giardino (2013/05/07 01:29)
Liebe Frau Diagonale, schade...
Liebe Frau Diagonale, schade dass Sie fort sind. Kommen...
by kleines fluffiges (2013/02/08 00:23)

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