Dienstag, 23. Oktober 2007
Pubertätatütata
Letzte Woche besuchte ich den Vortrag „Familie in der Pubertät“ in dem ein Kinder- und Jugendmediziner eben jene aus biologisch-medizinischer Sicher erklärte und im Anschluss ein Kinder- und Jugendpsychologe die Adoleszenz versuchte näher zu bringen. Beide durchleuchteten das Thema sehr anschaulich und humorvoll und versuchen Brücken zwischen den Generationen zu schlagen. Vieles war mit (z.T. unterbewusst) bekannt, einiges neu. Aber wie es eben immer so ist, tut es vor allem gut, bestätigt zu bekommen, dass man mit intuitivem Gespür oftmals weiter kommt als mit rein strikten Regeln. Deswegen soll man vor Regeln und Grenzen nicht zurück schrecken, aber eben auch mal Fünfe gerade sein lassen.
Und auch, wenn meine Tochter und ich uns in den letzten Wochen ganz hervorragend verstehen und es sowohl schulisch als auch familiär wirklich gut läuft, hatte sie am Wochenende eine kleinen geistigen Totalausfall. Sie erzählte mir, sie würde Samstag bei ihrer Freundin V. übernachten. Kein Problem. Es ist bei uns so ausgemacht, dass wenn sie bei einer Freundin übernachtet, das sie abends noch mal kurz auf meinem Handy klingeln lässt, damit ich weiß, dass die beiden gut angekommen und nun sicher in privaten Gefilden eingetroffen sind. Ich brauche dazu nicht mit ihr zu sprechen. Ich sehe nur die Festnetznummer in meinem Display und alles ist klar. Dieser Anruf blieb am Samstag bis 23:30 Uhr aus. Normalerweise kommt er aber gegen 21:00 Uhr. In seltenen Fällen gegen 22:00 Uhr. Dann aber sicher. Somit wurde ich dann doch langsam unruhig und wollte mein Kind via Handy erreichen und fragen, wo es abgeblieben ist, oder ob es nur vergessen hat, sich zu melden – kann ja mal vorkommen. Das Handy war aber aus, was mich nicht unbedingt beruhigte. Also rief ich bei der Freundin an und hoffte keinen aus dem Bett zu schmeißen. Der Vater hob ab. Seine Tochter war auch noch nicht zuhause, was ihn aber nicht beunruhigte, da diese auch schon 16 Jahre alt ist und gelegentlich bis 24:00 Uhr unterwegs ist. Er wusste allerdings nichts davon, dass J. dort schlafen sollte und meinte, er hätte das auch nicht erlaubt, da bei ihnen am nächsten Tag eine größere Familienfeier anstünde. Nun war es um meine Ruhe völlig geschehen. Der Vater der Freundin versprach mir, seine Tochter auf dem Handy anzurufen und sich dann wieder bei mir zu melden. Ich meinerseits rief eine andere Freundin auf dem Handy an. Bei dieser weiß ich, dass sie ein totaler Handy-Junkie ist und es NIE IM LEBEN freiwillig ausmachen würde. Doch diese war nicht mit J. zusammen unterwegs. „Nö, ich war den ganzen Tag bei meiner Oma. Ich weiß nicht wo J. ist. Ist sie immer noch nicht zuhause? Oha…“ Diese Freundin muss kurz drauf aber irgendwas erreicht haben, denn wenige Minuten später rief meine Tochter mich an. „Wo bist du?“ fragte ich. „In der Stadt…“ sagte sie zerknirscht. „Na super…“ „Soll ich jetzt nach hause kommen?“ „Du bewegst dich keinen Zentimeter da weg! Ich hole dich ab!“ Ich sprang ins Auto und sammelte mein Kind in der Altstadt ein. Sie entschuldigte sich und meinte, sie habe wirklich bei V. schlafen wollen. Dass der Vater nichts davon wusste, wusste sie wiederum nicht. Und da ein Freund an dem Abend seinen Geburtstag feierte, war es alles so witzig, dass die beiden meinten, ein bisschen länger bleiben zu wollen. Aus diesem „bisschen“ wurde dann „ganz schön lange“ weil man „die Zeit vergessen" hatte.
„Du weißt aber, was das jetzt bedeutet, hm?“ fragte ich sie. „Ja, ich darf NIEE wieder irgendwo übernachten.“ Nee, so hart wollte ich sie dann doch nicht bestrafen. Vor allem hätte ich das nie durchziehen können. Aber ich musste ganz schön innerlich schmunzeln, dass sie ihre Strafe selbst so hoch ansetzte. Als ich, weil ich noch überlegte was ich nun antworten soll, nichts sagte, widersprach sie sich selbst: „… naja, zumindest bestimmt ein halbes Jahr nicht.“ Nun musste ich schon fast kichern. Auch das sollte es eigentlich nicht werden. „Nein, ein Monat kannst Da das jetzt knicken. Und andere Freizeitaktivitäten sind in dieser Zeit bitte außergewöhnlich genau mit mir abzusprechen. Die Leine wird jetzt erst mal was kürzer.“ „Und was ist mit der Halloween-Party?“ „Tja… die kannste wohl knicken.“ „… Mist.“
Es gab keine Schreierei, kein Theater. Als wir gestern noch mal kurz drüber sprachen, sagte sie „Ich find das ja schon ganz schön Scheiße. Aber die Suppe hab ich mir wohl selbst eingebrockt.“
Ja danke. Genau darum geht es.

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Schwierig. Mal abgesehen davon, dass ich spätestens nach dem Anruf beim Vater ins Koma fiel, wenn das mir passiert wäre, setzte J. doch überraschend schnell die Höchststrafe an. Waren Sie früher strenger mit ihr?

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Nein, nicht ich mit ihr. Meine Eltern mit mir. Obwohl ich nix verbrochen hatte, durfte ich, bis ich 18 war, niemals irgendwo übernachten. Meine Schwester hat aber vor mir arg über die Stränge geschlagen und prompt auch das Clichee mit dem schlechten Umgang erfüllt. Diese Geschichte kennt J. und befürchetet immer, dass ich irgendwann zu ähnlich krassen Maßnahmen greife. Ich lasse sie ein bisschen in dem Glauben, obwohl ich das sicher nicht tun werde. Zumindest nicht, wenn sie das mit dem schlechten Umgang (vor dem man ja auch bei Tageslicht nicht geschützt ist) unterlässt. Ich entscheide immer eher im Einzelfall.

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Ich finde ja, daß Du sehr gut und auch vernünftig entscheidest. Ich könnte mir vorstellen, daß ich vor Sorge ziemlich aufgebracht gewesen wäre in dieser Situation; insofern kann J. schon von Glück sagen, daß Du Ihre Mutter bist.

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sie können noch eins draufsetzen zur verständlichkeit für das kind: meine tochter (heuer 32) und ich (heuer 54) melden uns auch beieinander an und ab, wenn eine irgendwohin fährt/fliegt. nicht, dass man eine von uns noch irgendwie erziehen oder kontrollieren müßte, aber es ist einfach ein besseres gefühl wenn man weiss alles ist ok.

im september hab' ich aber auch beton ausgefass: ich fuhr auf kur und meldete nicht sofort meine ordnungsgemäße ankunft, schon klingelte es: "ha, muttern, erwischt. was geht mit melden?" - und recht hatte sie, ich war zwar "nur" vor müdigkeit versehentlich eingeschlafen, aber anrufen hätt' ich vorher definitv können.

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Sie sind ja cool geblieben. Mich hätte man da nicht in die Altstadt schicken dürfen ;-)

Ich finde das ebenfalls völlig richtig, mal eben kurz durchzuklingeln oder eine Nachricht zu hinterlassen. (Es gibt natürich auch Leute, die fühlen sich von solchen Selbstverständlichkeiten gleich "kontrolliert".)

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@ Midori: Ja, ich glaube, sie ist sich dessen bewusst, dass ich nur ganz selten überreagiere. Und auch das ist eine Folge meiner Erziehung: Ich weiß, dass das ganz oft fast nix bringt sondern der Effekt sich ins Gegenteil verkehrt.

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@ kelef: Richtig. So ähnlich halte ich es mit meinem Eltern auch. Nur nicht ganz so engmaschig. "Keine Nachricht ist die beste Nachricht" heißt es bei uns meist. Aber gelegentlich hört oder liest man dann halt doch etwas. Und das beruhigt.

Übrigens haben Sie zu ihrer Tochter den gleichen Altersabstand, wie ich zu meiner. ;o)

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@ kid 37: Aus dem gleichen Grund habe ich G. auch nicht mit in die Altstadt genommen. Er hat dafür zeitgleich mit Vs Vater gesprochen, der dann zurück rief.

Die kurzen Anrufe sind nicht (nur) zur Kontrolle, eher zur Beruhigung. Oft genug weiß ich auch nicht, wo genau sie gerade ist. Aber so lange ich gelegentliche Lebenszeichen erhalte, ist alles in Ordnung. Ich weiß aber, dass Freundinnen von J. das ganz schrecklichund unverständlich finden. Seit Samstag bin ich mir aber sicherer denn je, dass es eine sinnvolle Maßnahme ist. Außerdem kostet sie keinen was - nicht einmal viel Zeit.

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eben: nicht (nur) zur kontrolle, sondern zur beruhigung. und seit der erfindung des praktischen ist es ja auch nicht so, dass in ermangelung von münzen ein anruf entfallen muss. die gören telefonieren ja ansonsten auch bis ihnen die gehörgänge summen. und ich find z.b. nichts dabei, wenn ich mich ab und an melde bei meiner tochter, nur um zu sagen alles ok, bei dir auch - sagt sie ja, ist wieder ruhe für eine woche wenn wir beide im stress sind. oder wir bloggen, das hat die gleiche wirkung: alles ok - signale setzen.

war eigentlich immer so, auch schon zu zeiten der münzofone. im nachhinein haben dann manche ihrer damaligen freundinnen zu mir gesagt, eigentlich waren sie eifersüchtig, weil ich nie wirklich kontrolliert habe wer-wann-wo-wielange-mitwem-warum-wieso, sondern immer nur wissen wollte ob alles in ordnung sei. und weil ich, wenn es spät ward, immer sagte "bitte, bitte fahr mit dem taxi, das zahl' ich gern".

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recording time: 6889 Tage
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