Mittwoch, 7. Oktober 2009
Weiter warten
Den Nachmittag habe ich an der Nähmaschine verbracht und 2 Hosen geflickt. Wenn hier nicht gerade große Gewichtsreduktionswelle im Haushalt wäre, hätte ich sicherlich gebacken. Aber ganz im Sinne der Vernunft und der Beschäftigung meiner Hände, widmete ich mich also dem Flicken der beiden Jeans, die es schon seit einiger Zeit nötig haben.

Später, nachdem G. Feierabend hatte, rief zufällig meine Mutter an und erzählte, wer am Nachmittag noch da war. Sogar mein Bruder ist noch vorbei gekommen. Ich bin froh, nicht da gewesen zu sein. Ich brauche Ruhe, wenn ich bei meinem Vater bin. Ich will für ihn da sein, nach den richtigen Worten suchen und sie aussprechen, wenn ich mal wieder welche gefunden habe. Ich will aber in erster Linie schweigen. Das geht mit den meisten Menschen nicht. G. äußerte den Wunsch auch nochmal bei meinem Vater vorbei zu fahren, was wir dann auch taten.

Mittlerweile war er umgelagert, atmete leise, schlief anscheinend. Wobei der Unterschied zwischen wach sein und schlafen bei ihm nur noch schwer auszumachen ist. Schwester L. kam hinein. Sie ist eher herb, macht einen sehr schroffen Eindruck, wenn man sie nicht kennt. Aber sie ist eine die anpackt und immer eine Idee hat, wie man jemandem helfen kann, wie man jemandem seinen Weg erleichtern kann. Sie bat uns, leise zu sein und meinen Vater eher in Ruhe zu lassen. Das war für uns aber ohnehin selbstverständlich.
Plötzlich hustete mein Vater schwach und man konnte hören, welche Sekretmengen, in seiner Lunge stecken müssen. Von da an, atmete er wieder schwerer, stöhnte bei jedem Atemzug, der jeweils von einem Rasseln begleitet wurde. Gelegentlich setzte das Atmen völlig aus... sowohl bei ihm, als auch bei uns. Doch dann atmete er weiter...

Wenn man so an seinem Bett sitzt, ihm beim Atmen zuhört und ihn beobachtet, denkt man, er hört jeden Moment einfach auf, atmet nicht mehr. Die Augen bleiben zu. Der Körper entspannt.

Eben rief ich nochmal meine Mutter an. Fragte, wie es ihr gehe. Sie wirkt immernoch, wie ein Fels in der Brandung. Sie hat alles im Griff. Aber wenn man leise ist, ahnt man wie schwach sie unter ihrer Schale ist.

Es wird Zeit. Ich wünsche ihm einen guten Weg.

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Warten
"Sterben geht in den seltensten Fällen so schnell, wie im Film" sagte die Schwester, die eine kleine Duftlampe ins Zimmer brachte. "Meist dauert es eine ganze Weile, vor allem bei Demenz, wie bei Ihrem Mann" sagte sie zu meiner Mutter gewandt. "Es ist nicht leicht, aber gönnen Sie ihrem Mann zwischendurch auch einige Zeit allein, sonst schafft er den Abschied nicht." Sie hatte Tränen in den Augen, nickte uns kurz zu und ging leise aus dem Raum.

"Er hat heute Morgen 2 Mal meinen Namen geschrien" erzählte meine Mutter leise. "Schwester Isabell hat mich sofort angerufen und ich bin gleich gekommen." Wir schweigen eine Weile und ich halte die Hand meines Vaters. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich würde mich am liebsten neben meinen Vater legen und ihn fest halten. Er sieht so klein aus zwischen den Kissen und Decken. Und er atmet so schwer.

"Ich wollte I. und H. eben absagen. Sie wollten ihn heute besuchen. Aber sie kommen trotzdem kurz vorbei. Und I2 und H2 sind auch in der Stadt. Ich erreiche sie aber nicht. Die werden wohl auch vorbei kommen. Deine Geschwister wissen auch schon Bescheid. C. setzt sich gleich in ein Taxi."
Dann schweigen wir wieder.

Meine Schwester kommt. Sie weint. Wir umarmen uns, sie umarmt meinen Vater, so gut es geht und setzt sich neben uns.

Meine Mutter bittet mich, G. eine SMS zu schreiben. Er soll schon mal die Telefonnummer des Bestatters raussuchen. Eine Schwester hatte sie vorsichtig gebeten, schon vorab mit denen zu sprechen, damit sie meinen Vater mit einem Sarg abholen und nicht im Leichensack. Das sei würde- und liebevoller.

Dann kommen die Freunde. Ich begrüße sie und verabschiede mich zugleich. Es wird zu voll. Ich kann das nicht ertragen. Weg. Nur weg!
Später komme ich in Ruhe wieder. Vielleicht.

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