Donnerstag, 19. Juni 2008
Weed I
Alles begann mit einer lustigen Teenie-Kiffrunde an einem sonnigen Samstag am Rhein. Wie und warum die 13-14jähigen auf die Idee gekommen sind, muss im Dunklen bleiben. Das ist ungeklärt. Meine Tochter war anwesend, hat aber laut eigener, glaubhafter Aussage nicht mal an der Tüte gezogen.
Einer der Jungs war schrecklich stolz auf sich und verbreitete in den folgenden Tagen die frohe Botschaft, er sei ein ganz toller Hecht und habe am Samstag gekifft. Irgendjemand fand das nicht so toll und berichtete das an die Direktoren der Schule, die meine Tochter und ein paar der beteiligten Jugendlichen besuchen. Der coole Junge wurde sofort für eine Woche von der Schule suspendiert.
Dies erzählte mir meine Tochter am letzten Sonntag und erzählte auch, dass am Montag eine Schulkonferenz einberufen sei, bei der auch die Mutter des Jungen, nicht aber der Junge selbst, anwesend sein würde.
Letzten Montag, vermutlich gleich nach der Konferenz, erhielt ich einen Anruf des stellvertretenden Schuldirektors, der meine Tochter bereits aus dem Unterricht kennt und zu dem auch ich einen recht guten Draht habe. Er bat mich um einen zeitnahen Termin. Dieser war gestern morgen um 8. Anwesend war nicht nur Herr G, der Stellvertreter, sondern auch Herr B, der Direktor selbst. Letzterer sah fürchterlich aus, als habe er mehrere Nächte hinereinander nicht geschlafen und er begrüßte mich mit sorgenvollem Gesicht.
Man fragte mich, ob ich bereits wisse, worum es ginge, was ich verneinte, aber zugab, das ich eine Vermutung hätte. Diese bestätigte sich auch prompt: Es ging um den Drogenkonsum einiger 7.-Klässler unserer Schule. Man sei sich durchaus bewusst, dass Drogen an jeder Schule ein Thema seien und davon sei auch unsere Schule nicht unbeleckt, wenngleich das Thema seltener vorkäme als an anderen Schulen. Besonders besorgniserregend fand man jedoch das Alter der Kinder.
Wie dem auch sei, im Zusammenhang mit dieser Geschichte sei nun auch der Name meiner Tochter gefallen und auch der Vorwurf, die Drogen stammten von meiner Tochter! Bislang war ich völlig ruhig geblieben. Doch jetzt konnte ich es mir nicht verkneifen, erschrocken die Augen weit aufzureißen und sprachlos zu staunen. Ich fragte, ob die Mutter des Jungen diese Anschuldigung ausgesprochen habe, was mit einem Nicken beiderseits bestätigt wurde. Zunächst sagte ich, das ich mir das nicht vorstellen könne. Meine Tochter würde sicherlich das eine oder andere Mal Mist bauen, aber sowas wäre nahezu ausgeschlossen, da ich aus vielen Gesprächen mit meiner Tochter weiß, wieviel Respekt sie vor aller Art Drogen hat und dass sie auch weiß, wie vorsichtig man hiermit umgehen muss. Nebenbei erwähnte ich, dass wir in der Familie auch ein absolutes Negativbeispiel hätten, dass ihr in schöner Regelmäßigkeit vorführt, wie schief das alles gehen kann. Desweiteren gab ich zu bedenken, dass meine Tochter und der coole Junge sich nicht gerade gern aber doch gemeinsame Freunde haben, weswegen sie gelegentlich Zeit miteinander verbrächten. Bei einer dieser Gelegenheiten lernte meine Tochter auch die Mutter des coolen Jungen kennen und beide wussten gleich, dass sie sich ganz und gar nicht leiden können.

Nach dem Gespräch hatte ich aber doch einige Zweifel, ob meine Tochter mir immer die volle Wahrheit erzählt und überlegte, ob diese Geschichte in irgendeiner Weise Konsequenzen haben müsste. Doch erst wollte ich abwarten, was sie beim Mittagessen erzählen würde, denn ich wusste, dass die Direxen auch sie zum Gespräch bitten würden.
Interessanter Weise wurde bei ihr der Vorwurf, das Gras beschafft zu haben, nicht wiederholt und als ich ihr mittags davon erzählte, wurde sie erst weiß und dann rot vor Wut. Sie wurde richtig wütend und schimpfte auf die Mutter des coolen Jungen.
Und dann: "Mama, jetzt muss ich Dir die Geschichte ganz erzählen. Der [Name des coolen Jungen] hat das Kraut selbst besorgt. Ich war zwar nicht dabei, aber ich weiß von wem. Von "Rotze", einem ekeligen Punk an den Treppen. Bis jetzt wollte ich das nicht erzählen, weil ich es für [Name des coolen Jungen] nicht noch schlimmer machen wollte. Und [Name des coolen Jungen] hat mir auch erzählt, dass seine Eltern das Gras bei ihm im Schrank gefunden haben und deswegen die auch wissen, dass die Drogen nicht von mir sind!"
Für mich klang das alles sehr glaubhaft, dennoch fragte ich sie mehrfach, ob das die Wahrheit sei und ob ich ihr vertrauen könne. Sie bejahte mehrfach und nahm mich in den Arm.
Im Laufe des Nachmittags erkundigte ich mich beim Vater meiner Tochter, Polizist, wie das mit einer Verleumdungsklage eigentlich laufen würde. Seine erste väterliche Reaktion auf die Geschichte: "Nie im Leben!" Dann folgte seine Fachmännische: Er riet mir erst mal Zeugen zu sammeln, die bezeugen könnten, dass J. die Drogen weder besorgt geschweige denn an der Tüte gezogen habe. Desweiteren bat er mich, erst mal Kontakt mit der Mutter des coolen Jungen aufzunehmen und zur Rede zu stellen. Wenn sie an ihrer Meinung und Aussage festhalten würde, erst dann solle ich die Anzeige machen.
Der Anruf bei der Mutter wurde auf heute verschoben.

Heute mittag klingelte wieder mein Büro-Telefon. Im Display erkannte ich die Nummer der Schule. Herr G. war wieder dran. Er bat mich diesmal, ihm eine Bescheinigung zu schreiben, dass ich damit einverstanden bin, dass meine Tochter mit ihm und dem coolen Jungen zur Altstadtwache geht und Anzeige gegen Unbekannt erstattet wegen Drogenhandels.
Desweiteren erzählte er, er habe noch ein sehr ernstes Gespräch mit meiner Tochter geführt. Er hält es für bedenklich, mit was für Jugendlichen meine Tochter sich umgibt und dass diese 17-18 Jahre alt seien und meine Tochter sogar wisse, dass diese gelegentlich kiffen. Er bat mich, besser auf meine Tochter aufzupassen. Sie sei ein toller Mensch, in dem vieles steckt, das beschützt werden müsse. Er sagte das nicht belehrend, sondern sehr freundlich, behutsam und bittend. Ich musste dennoch erwiedern, dass diese "großen" Jugendlichen keine echten Freunde meiner Tochter seien. Sie würde sie kennen. Mehr nicht. Ich könne recht gut ein ordnen, mit wem meine Tochter wirklich befreundet ist und mit wem nicht und die Großen kämen in ihren Erzählungen nur sehr sehr selten vor. Dennoch gab ich ihm Recht, dass das Thema gerade im aktuellen Zusammenhang wieder ernsthafter besprochen werden muss.
Er sagte, es sei immer wieder bewundernswert, wieviel Vertrauen ich meiner Tochter entgegen brächte und die Gespräche wären, trotz der problematischen Themen, doch immer wieder angenehm.

Beim Mittagessen erzählte auch meine Tochter von dem Gespräch. Diesmal hat er deutlich mehr Druck gemacht, als letztes Mal. Er warf ihr vor, zumindest den Kontakt vom coolen Jungen zum Dealer vermittelt zu haben, was sie wiederum sagte, das das nicht stimme. Sie kennt "Rotze" erst seit 2 Wochen und hat ihn erst durch den coolen Jungen kennengelernt. Vorher kannte sie ihn nur vom sehen. Der sei fies und ekelig und überhaupt... auch erst 14 Jahre alt und schon völlig fertig. Dennoch machte Herr G. sie darauf aufmerksam, dass er sie nicht mehr auf der Schule haben wollen würde, wenn sie jemals wieder im Zusammenhang mit Drogen auffallen würde.... und wenn sie seine Tochter wäre, würde er sie nicht mehr vor die Tür lassen.

Davon, das sie morgen mit dem stellv. Direx zur Polizei sollte, wusste sie noch nichts und sie fragte warum und wozu. Ich bin mir nicht sicher, ob mit der Anzeige viel erreicht werden kann. Der positive Effekt wird sicher auf jeden Fall sein, dass die beiden Kinder dadurch in eine andere Rolle rutschen. Ab morgen sitzen sie nicht mehr auf der Anklagebank. Ab morgen sind sie Kläger und tun was gegen Drogen.

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ihre geschichte hat mich sehr ergriffen.
wir müssen nur eins immer wieder sehen, in dem alter sind die kinder eben noch kinder, man vergisst es schnell wenn die cool um die ecke reden.

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Ja, sie sind Kinder mit allem Drum und Dran und eben auch mit dem ErfahrungenSammelnWollen. Dies war eine größrere, prägendere. Hoffe ich. Und ich bin mir auch sicher, wir werden in den nächsten Tagen noch öfter drüber reden.

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Ich frage mich, welches Interesse die Schule hat, bei einem doch recht harmlosen Drogenkonsum (es geht hier ja nicht um harte Drogen), der auch noch außerhalb des Schulgebäudes und der Unterrichtszeit stattfand, Anzeige zu erstatten. Das leuchtet mir nicht ein.

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Nun ja,
es geht wohl in erster Linie darum, wenn möglich sicherzustellen, dass keiner der eigenen Schüler dealt. In diesem Zusammenhang ist auch die Anschuldigung an die Adresse von Frau Diagonales Tochter zu sehen. Ich sehe das als (gelungene) ermittlungstaktische Maßnahme, um der eigentlichen Herkunft des Stoffs auf die Spur zu kommen. Wäre sie selber nie beschuldigt worden, das Zeug besorgt zu haben, hätte sie wohl freilwillig im Leben keine näheren Angaben dazu gemacht.

Von daher würde ich das Thema mit der Verleumdungsklage eigentlich ganz schnell vergessen.

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Also ich weiß ja nicht, wie groß die Schule ist, aber kein Schulleiter dieser Welt kann das sicherstellen. Dazu müsste er ja all seine SchülerInnen rund um die Uhr beschatten lassen. ;)

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Schon klar.
Aber das kann ja kein Hinderungsgrund sein, das zu tun, was machbar ist. Und wenn man einen konkreten Fall hat, dann geht man dem halt nach so gut man kann.

Als Verantwortlicher einer Privatschule kann man es sich doch nicht leisten, den Anschein zu erwecken, als nehme man das auf die leichte Schulter. Da würde man von den Eltern/Geldgebern doch gegrillt werden. Also macht man lieber etwas mehr Bohei als zuwenig.

So verstehe ich das ganze jedenfalls.

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Diese Schule braucht sich um ihre Schülerzahl keine großen Sorgen zu machen. Mit 1300 Schülern zählt sie in der Region zu den größten.
Und sie ist zwar Privatschule, aber auch in kirchlicher Trägerschaft, so dass die Eltern kein Schulgeld zahlen müssen. Das gelten sie schon mit ihrer Kirchensteuer ab.

Zum Zweck der Anzeige: Die Schule befindet sich direkt in der hiesigen Altstadt, was von vielen Eltern als kritisch betrachtet, aber gerade so in Kauf genommen wird. Die nähe zur Drogenszene ist der Schule durchaus bewusst. Es ist ihr aber natürlich ein Dorn im Auge. Hier hat sie nun einmal mehr die Möglichkeit die Posizei wieder etwas aufzurütteln, dass gerade an er "Treppe" als auch am Steinkreis mal wieder etwas mehr Präsenz zu zeigen und damit evtl. auch die eigenen Schüler zu schützen, die dort auf ihrem Schulweg auf jeden Fall vorbei kommen.
Zweiter Nutzen ist eben, dass der coole Junge und meine Tochter wirklich verstehen, dass es ein ernstes Thema ist. Ich finde die Maßnahme wirklich gut. Und das ist auch das, was ich an dieser Schule mag. Dort schaut man nicht weg. Man arbeitet an aufkommenden Problemen auch wenn das für alle Beteiligten nicht unbedingt angenehm ist.

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Soll ich das wirklich erlauben, mit der Anzeige? Könnte auch nicht ganz ungefährlich sein.

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Ich sehe das auch
eher zwiespältig. Einerseits eine gute Möglichkeit für Ihre Tochter, sich auch aktiv von dem Drogending zu distanzieren - aber zu welchem Preis?

Wie sieht sie das denn selber?

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Meiner Meinung nach is das eher die unnötige Endschikane. Das scheiss Gespräch mit dem Direktor und der ganze Trubel sind wahrscheinlich schon völlig ausreichen um zu wissen, dass Graskonsum Folgen hat.

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Ich halte diese Maßnahmen durchaus für angemessen. Nur solche bleiben ewig im Hirn haften und haben auch nachhaltig Erfolg.

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heftige geschichte. muss ich an das buch "shit!" von jörg schmitt-kilian denken. das könnte sie interessieren. geht auch um schüler, die kiffen, schüler, die dealen, die rolle der eltern als co-abhängige, die rolle der polizei, die rolle von haschisch als einstiegsdroge und vor allem die scheinheilige umgangsweise der öffentlichkeit in sachen handhabung mit der droge. ist aber ein jugendbuch.

meine eltern hätten mir bestimmt nicht geglaubt, wenn ich in so eine geschichte hineingezogen worden wäre. von daher: auch von mir respekt für das vertrauen, das zwischen ihrer tochter und ihnen herrscht. allerdings habe ich auch zeitweise recht regelmäßig gekifft, kam auch bekifft nach hause und meine eltern haben mich nie gefragt, kind, warum hast du rote augen, was starrst du so teilnahmslos, was kicherst du so dämlich oder warum in aller welt schläfst du 16 stunden? ich weiß bis heute nicht, wieviel sie wussten oder wenigstens ahnten.

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Danke für den Buchtipp. Das werde ich mir sicher nun bald besorgen. Und wenn ich es für gut befinde, auch J. in die Hand drücken. Das Thema interessiert sie sehr (Christiane F. hat sie mindestens 2 Mal schon gelesen).

Ich muss gestehen, dass ich es sicher auch nicht merken würde, wenn J. total bekifft ist. Ich habe selbst keinerlei Erfahrung mit solcherlei Drogen und kann die daraus folgenden Zustände nicht erkennen.

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