Montag, 16. Februar 2009
Wechselbad der Gefühle
Samstag fanden G. und ich meinen Vater sehr müde vor. Zustimmende Antworten wurden nur mit einem leisen "Ja ja ja." beantwortet, was bei ihm immer ein schlechtes Zeichen ist. Wenn ich nur meine Hand in seinen Nacken legte, verspannte er total und wimmerte, wenn ich ihm den Kopf leicht anheben wollte, um ihm etwas zu trinken zu geben. Der Kopf war heiß, die linke Hand war permanent total verkrampft und eiskalt. Er hatte Fieber und Schmerzen.
Ich ging zur Schwester, um zu fragen, ob sie schon etwas unternähmen. Die Schmerzen hatten sie auch schon beobachtet, die hohe Temperatur war ihnen neu. Schwester Annette kam gleich, um Fieber zu messen: 39,4. Wir riefen die Bereitschaftsärztin an. Sie war gerade ohnehin schon im Haus und es dauerte nicht lange, bis sie kam. Sie untersucht meinen Vater gründlich und stellte viele Fragen. Sie hatte den Verdacht, dass mein Da wieder einen Schlaganfall, bzw. eine erneute Hirnblutung habe und wollte ihn ins Klinikum der nächten Stadt einweisen, um ein CT bzw. MRT machen zu lassen. Meine Mutter, mit der ich inzwischen telefoniert hatte, entschied dagegen, den was außer einem Bild würde diese Strapaze für meinen Vater bringen? Der Transport und die Untersuchtungen würden seine Schmerzen nur verschlimmern. Und durch die Aufnahme ins Klinikum hätten wir höchstens neue Bilder vom Kopf. Aber therapeutisch könne man bei meinem Vater ja leider eh nicht mehr viel machen. Also wozu ihn stressen?
Die Ärztin schaute mich etwas entgeistert an, als ich sagte, sie solle den Krankenwagen nicht rufen. Gleichzeitig nickte die Schwester leicht und stimmte mir zu. Ich sprach von der Patientenverfügung und davon, dass es mit dem behandelnden Arzt die Absprache gäbe, keinen Krankenwagen mehr einfach so zu rufen. Allerdings war der behandelnde Arzt auch nicht erreichbar, so dass uns erst mal nur blieb, das Fieber zu senken und ihm ein Schmerzmittel zu geben.
Ich blieb noch eine gute Weile, bis die Medikamente wirkten und mein Vater deutlich entspannter in seine Kissen sank. Dann ließen wir ihn schlafen, doch ich fühlte mich schrecklich.

Gestern, nach der Taufe des süßesten Baby der Welt, dessen Patenonkel G. nun ist, wollte ich nochmal schnell nach meinem Vater gucken. Auf dem Weg dahin telefonierte ich mit meiner Mutter, um zu fragen, wie es ihm denn mittags ging. Schläfrig, schwach und immerwieder mit Schmerzen. Unverändert also.
Als wir sein Zimmer betraten, saß er kerzengerade im Bett, hatte seine Bettdecke mal wieder halb aus dem Bett geschmissen, seine Socken ausgezogen und begrüßte uns fröhlich in einem deutsch-englischen Kauderwelsch.

Stehaufmännchen.

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Im Grunde wollte er sagen, "Schätzchen, man wird ja noch mal ein bißchen Fieber haben dürfen!"

(Wir lesen übrigens alle sehr aufmerksam mit.)

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Ja, Fieber wäre ja ok. Aber wimmern bei kleinster Bewegung? Und völlig verkrampfte Körperhaltung? Und folgende Diskussion mit der Bereitschaftsärztin und später auch G., weil wir keinen Krankenwagen rufen? Nein nein, das geht zu weit. Man ist eh schon unsicher genug, ob man alles richtig macht und ob das alles wirklich die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten ist.

(Danke.)

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Ich durchlebte ähnliches mit meiner Frau Mutter.
Ein halbes Jahr lang zwischen Entlassung
und Intensivstation.
Ich kann ahnen, wie Sie sich fühlen müssen
und wünsche Ihnen ganz viel Kraft.

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Ja, man weiß nicht, wie lange noch...
Aber es ist auch schlimm, sich eigentlich schon verabschiedet zu haben und weiterhin zu lieben, wobei der eigentliche Mann/Vater, schon gar nicht mehr ganz da ist. Abschied auf Raten.

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Ich finde, Du hast es richtig gemacht
Deine Kraft und Dein Mut sind bewundernswert.
Nach allem, was ich über Deine Vater gelesen habe, ist das genau die Entscheidung, die er für sich auch getroffen hätte.

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Danke. Höchstwahrscheinlich hast Du Recht.

Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich ohne meine Mutter nicht so einfach gegen den Krankenwagen entschieden hätte. Das ist in unserem Kulturkreis ja schon zum Reflex geworden.

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recording time: 6889 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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