Montag, 23. Februar 2009
Begrüßung
Als ich heute zu ihm kam, war gerade meine Mutter mit unserem hemdsärmeligen und etwas schroffen Pastor da. Mein Vater begrüßte mich mit den Worten: "Da ist ja meine liebe Maus!", was der Pastor mit "Ach, Du erkennst ja deine Tochter!" kommentierte. Mein Vater schaut ihn entrüstet an und sagte: "Ja natürlich! Und du könntest auch mal netter zu ihr sein."

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Ich versuche zu verstehen
Man braucht Ruhe und Zeit, um meinen Vater ansatzweise verstehen zu können. An manchen Tagen spricht er kaum und auch seine Mimik ist sehr reduziert. Dennoch gibt er klare Zeichen zu dem, was er will und was nicht. Aber man muss Augen und Ohren offen halten.
Komischerweise ist es an solch stillen Tagen fast einfacher zu erkennen, was er will, als an den munteren. An einem so stillen Tag wie gestern kommt einfach "Fenster zu!" und gut ist. Aber die ist ja die Ausnahme. Denn sonst, wenn es ihm richtig gut geht, redet er so viel und so kompliziert verdrehtes Zeug, dass man aktiv mitdenken muss. Er formuliert vieles als Frage. So kann es sein, dass er fragt: "Hast Du auch beobachtet, dass es gut ist, wenn es wärmer ist?" Nein, er redet nicht übers Wetter. Er will auch jetzt, dass ich das Fenster zu mache. Er friert.
Um meinem Vater die Zeit so schön wie möglich zu machen, muss ich sehen und denken wie er. Ich versuche mich in ihn hinein zu versetzen und versuche seine Welt irgendwie nachzuvollziehen. Es gelingt mich nur schwer. Aber noch habe ich eine Chance seiner Welt so nahe wie möglich zu kommen.
Wenn ich wissen will, was meinen Vater und somit auch meine Mutter und mich in den nächsten Jahren erwartet, brauche ich nur den Cousin meines Vaters im gleichen Haus zu besuchen. Er war wie mein Vater Arzt, hat drei Töchter und ist bereits seit 2,5 Jahren in dem Pflegeheim. Er liegt nur noch und kann sich selbst nicht mal mehr ansatzweise versorgen. Mein Vater hält seine Trinkbecher und Butterbrote meist noch selbst und kann so profane Dinge tun, wie sich am Kopf kratzen oder Glen Miller dirigieren. Das kann der Cousin meines Vaters nicht mehr. Meist liegt er im Bett oder in seinem Rollstuhl, hält kleine Sandsäcke in seinen verkrampft geschlossenen Händen, schaut durch kleine Sehschlitze ins Nichts und ... ja, was ist das, was er da tut? Ich würde es als lautes Murmeln bezeichnen. Er tut es, ob er allein ist, oder nicht. Manchmal meint man, es wäre eine Reaktion, auf die eigenen Worte. So waren G. und ich gestern z.B. bei ihm. Ich streichelte ihm die Schulter, sagte ihm, wer ich bin und wen ich mitgebracht habe. Ich erzählte von seinen Töchtern, woraufhin er in begeistertes Jubelgemurmel ausbrach. Später verabschiedeten wir uns und sagten, wir kämen ihn bald wieder besuchen. Er rief "Baal baal baal!" und lachte. War das eine Zustimmung auf unser "bald"? Oder spielte er nur mit dem Klang des Wortes?

Spätestens ab diesem Zustand ist das mit dem Verstehen nicht mehr machbar. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, meinen Vater dann deutlich weniger zu besuchen, denn ich bin der festen Meinung, dass mein Vater einen Kuß auf die Wange, ein Streicheln oder freundliche Worte immernoch als beruhigend empfinden wird.

Es könnte ein langer Weg werden.

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recording time: 6700 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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