Donnerstag, 12. Juni 2008
Fooschbar!
Es war nicht ganz so schlimm, wie erwartet. Aber auch nicht viel besser. Das Kleid der Braut war ansehnlich. Hübsch. Nicht unbedingt brauttypisch, aber hübsch. Dass 2 Bettlaken, eine Gardine und eine Tischdecke verarbeitet worden waren, fiel ganz und gar nicht auf. Sie sah gut aus. Sie hatte abgenommen, eine gesunde Hautfarbe, angespannte aber positive Gesichtszüge. Vom Bräutigam will ich hier lieber noch nicht reden.

Die anwesenden 5 Gäste passten alle in die einzige gepolsterte Bank und es herrschte eine erdrückende Stille bis das Paar zum traditionellen Hochzeitsmarsch in die Kirche einzog.

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
aber die Liebe ist die Größte unter ihnen.

1. Kor. 13,13

Diesen Brautspruch hatten sich die beiden ausgesucht. Und der Pastor, den ich sehr sympatisch fand, der sehr engagiert war, der sich anscheinend sehr sehr viele Gedanken über dieses doch arg merkwürdige Paar gemacht hatte, sagte viele schöne, gute, wichtige und schlaue Sachen dazu. Was mich an dem Pastor doch manchmal etwas irritierte, war seine Ähnlichkeit mit Petterson.

Neben mir saß die 86jährige Tante des Bräutigams, die genauso starke Raucherin ist, wie ihr Neffe und einen entsprechend produktiven Husten hat. Sie schien ja sehr nett zu sein, doch der Husten störte etwas. Nach jedem beherzen Abhusten drehte sie sich dezent zu mir nach links und kommentierte das Ergebnis mit einem tief gebrummelten Fooschbar!

Kurz vor der Trauzeremonie ergriff meine Schwester endlich mal die Hand ihres Gatten und schaute ihn verliebt an. Von da an war klar: Sie wird Ja sagen. So war es dann auch.

Hinterher dann halt das obligatorische Herzen und Drücken und Gratulieren. Bei meiner Schwetser fiel es mir erstaunlich leicht sie in den Arm zu nehmen und ihr alles Gute zu wünschen. Ihm gab ich nur die Hand und sagte: Pass gut auf sie auf. Meine Bruder tat das gleiche und verabschiedete sich sofort. Er hatte nur für die Trauung zugesagt: In die Kirche komme ich. Aber feiern will ich das nicht!
Im Anschluss brasselten wir die Tante ins Auto meiner Mutter und die Herrschaften zuckelten schon mal los in den Landgasthof, während ich mein Auto vor dem Qualm der beiden Brautkettenraucherleute verteidigen musste. War wirklich nicht leicht. Ich habe aber gesiegt.

Ja, und das war eigentlich schon fast die ganze Geschichte, denn in den folgenden 4,5 Stunden in dem Landgasthof haben eigentlich alle nur ihre Zeit abgesessen und in erster Linie geschwiegen. Ich bin ja sonst eher eine Plaudertasche. Aber selbst mir ist nichts eingefallen, womit ich die Tante, meine Eltern und das Brautpaar hätte unterhalten können. Meine Schwester und ihr Mann machten eh Gesichter wie 7 Tage Regenwetter.
Das könnte evtl. an dem Geschenk meiner Eltern gelegen haben: Sie hatten sich im Vorfeld einige Gedanken gemacht. Wir wissen alle, dass die beiden nicht unbedingt reich sind und sich nicht viel leisten können. Bargeld wollten meine Eltern den beiden aber nicht schenken, weil das bei den beiden schneller in Alkohol und Zigaretten umgesetzt ist, als mal selbige auch nur aufzählen kann. Und meine Schwester wünschte sich seit Jahren mal ein Wochenende in Holland oder dergleichen, um mal wieder überhaupt eine Reise machen zu können. Also schrieb meine Mutter eine schöne Karte und machte den beiden eine kleine Hochzeitsreise zum Geschenk: Ein (verlängertes) Wochende in Holland in einem Hotel ihrer Wahl, gerne auch Vollpension. Nach Vorlage der Buchungsunterlagen, würde sie die Rechnung begleichen.
Die Gesichter der Brautleute sprachen Bände! Das war Pillepalle! Das war nix Bares und es war zu wenig. Kurz drauf verschwanden die beiden für 30 Minuten. Gelegenheit für meine Mutter sich mal ausgiebiger mit der Tante zu unterhalten, die außer Fooschbar! selten mal etwas von selbst zu sagen schien. Sehr ergiebig war dieses Gespräch aber auch nicht. Wir wissen jetzt nur, dass der Gatte anscheinend doch nicht so arm ist, wie er immer tut und nur gerne anderen Leuten das Geld aus der Tasche zieht. Und wir wissen, dass seine Mutter abgehauen ist, als er noch ganz klein war und nie wieder gefunden werden konnte.

Ob er schon als Säugling scheiße war? Er ist echt einfach nur wiederlich. Er kann keine geraden Sätze sprechen und wenn doch, dann versteht man sie nicht, weil er wirklich unsäglich nuschelt. Außerdem hat er so fiese Klaus-Kinski-Lippen. Wie kann meine Schwester den küssen?
Sein Intellekt könnte mal vorhanden gewesen sein. Ich bin mir nicht sicher, aber manchmal, ganz manchmal meine ich ein schlaues Satzfragment verstanden zu haben. Es könnte also sein, dass er sich seinen IQ nur weggesoffen hat. Aber bei dem Genuschel kann man das nicht so genau sagen. Vielleicht hat er ja auch gänzlich unschlaues gemurmelt?

In dieser erdrückenden Stille machte mein Herz einen Sprung, als G. später hinzukam. Mein Held! Meine Rettung! Ein fröhlicher und unterhaltsamer Mensch mit Manieren!

Wirklich. Es war fooschbar!. Aber es hätte auch schlimmer kommen können.

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*schluck* Es hätte NOCH schlimmer kommen können? Oh weh.

Es ist in der Tat immer fooschbar, so was von außen mit anschauen zu müssen. Und doch ist deine Schwester eine erwachsene Frau und wird sich irgendwas dabei gedacht haben, warum sie gerade diesen Mann heiraten wollte. Die Liebe - oder was auch immer uns sonst so dazu bewegt, zu heiraten - geht meistens seltsame Wege.

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Ja, sie hätte nein sagen können, wie sie selbst am Tag vorher bei meiner Mutter noch andeutete. Dann wäre es ein sehr chaotischer Tag geworden, nach dem man bei meinen Eltern, und sicher auch der Tante, einige Wogen hätte glätten müssen.

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Herrje. Andererseits: Zu einem merkwürdigen Paar gehört ja auch eine merkwürdige Hochzeit, irgendwie... Ich hoffe für Sie, dass der prinzipielle Familienfrieden eine Weile anhält.

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Da liegt der Vorteil dass sie Ja gesagt hat. Sowohl meine Eltern als auch ich haben weiterhin mehr Ruhe vor meiner Schwester und ihren Dramen. Mehr als das früher immer so der Fall war.

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Hui. Ein wenig... öh... deprimierend.

Gelinde gesagt.

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Ja.

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recording time: 6922 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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