Freitag, 28. März 2008
Geerdet
Gestern Abend. Ich kochte ihr Nudeln mehr als al dente, schön schlabbrig, weil sie nach einem Bogenwechsel beim Kieferorthopäden vorgestern mal wieder schlecht kauen kann. Nein, keine Sauce dazu. Sie mag Nudeln, wenn die Salzmenge stimmt, am liebste ohne. Wir saßen dann zusammen am Küchentisch. Sie hatte Quasselwasser getrunken, erzählte mir von dieser Freundin und jenem Freund. Die Stimmung war perfekt, um die Themen, die am Nachmittag mein Herz und Kopf so verwirrten, auf den Tisch zu bringen. Ich hielt es ganz allgemein, sagte, dass ich mir manchmal Sorge mache und ich nicht weiß, ob diese Sorgen begründet seien. Sie fragte, woher diese Sorgen kämen und ich erzählte, dass man sich nur in der Welt umzuschauen, nur ihre Altersgenossen zu beobachten brauche, um sich Sorgen zu machen. "Allein die Sprache"" fing ich mal ganz profan an. "Habt Ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie ihr euch ausdrückt und wie das wirkt? Nehmen wir das Wort "Ficken". Schön ist das ist nicht und es wirkt wie ein technischer, liebloser Akt. Ich selbst empfinde es als ekelig. Ok, "Liebe machen" wirkt sehr lächerlich. "Sex haben" ist recht sachlich. Ich selbst bevorzuge "Poppen". Es klingt lustig und Sex macht ja auch Spaß. Ich finde, das trifft es schon recht gut." J. kam ins Grübeln. Ich sah, dass sie sich darüber wirklich nie Gedanken gemacht hatte und sagte: "Naja, dann klingt das Wort "Lecken" für Zungenküsse ja auch nicht gerade schön." "Genau. Also warum redet ihr so?"
So ging es weiter, vom Hölzchen aufs Stöckchen. Wir besprachen Themen wie Shishas, Kiffen, Sex, Freundschaft und die Menschen, die sie umgeben.
Inder Altstadt hängen einige immer an "der Treppe" ab. Viele davon sind harmlos einige davon aber auch schon ein paar Schritte jenseits von harmlos. Sie trinken viel, kiffen oft, kamen immer wieder auch schon mit dem Gesetz in Konflikt. J. erzählte verwundert, dass gerade diese aus wirklich "guten, reichen" Familien kommen. Sie erzählte auch, dass viele zuhause nie was anständiges zu Essen bekommen. Ihr bester Freund schwärmt heute noch von dem Mittagessen, das er vor einigen Wochen bei uns bekam. Es war seit Dezember sein erstes Nicht-Junk-Food. Sie erzählte noch einiges mehr, Erfahrungen, Meinungen und dergleichen. Wir diskutierten Themen, die immer wieder auf den Tisch kommen, in denen ich aber bislang nicht von meiner Meinung abweichen konnte und vorerst nicht werde. So werde ich sie z.B. noch eine ganze Weile lang noch nicht bei Jungs schlafen lassen. Finde ich nicht nötig. Kann sein, dass ich meine Meinung in einem Jahr geändert haben werde, aber jetzt ist es noch nicht so weit.
Zum Abschluss erklärte ich ihr, dass ich sie nicht kontrollieren könne und auch gar nicht wolle. Dass es vieles im Leben gibt, das man ausprobieren will. Es gibt auch viele Versuchungen, denen man immer wieder neu wiederstehen muss. Ich erklärte ihr, dass ich sehr sehr hoffen würde, dass sie gut auf sich aufpasse, denn sie käme immer mehr in ein Alter, wo sie ganz allein für sich verantwortlich ist. Wenn es aus irgendeinem Grenzentest mal Konsequenzen zu tragen gäbe, könne sie keinen als sich selbst dafür verantwortlich machen... auch wenn sie zu Drogen oder anderem überredet wurde. Sie allein trägt sie Verantwortung, weil sie allein für sich die Entscheidung getroffen hat, diese Grenze zu überschreiten.
J. nickte nachdenklich, kam um den Tisch auf mich zu, drückte mir einen Kuss auf die Wange und wünschte mir eine gute Nacht.

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recording time: 6891 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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