Donnerstag, 9. November 2006
Get lost!
Sie ruft im ungünstigsten Moment an. Immer. Gerade dann, wenn ich endlich mal die Zeit gefunden habe, mich ans Klavier zu setzen und mich auf 30 Min. Entspannung freue. Oder wenn ich allein bin und endlich mal wieder in Ruhe lesen könnte.
Und wenn ich dann den Fehler mache, ans Telefon zu gehen, werde ich gnadenlos vollgejammert. Und erstens soll ich mir das alles anhören und zweitens soll ich meine Freizeit opfern, um mit dem armen Hascherl einen Kaffee zu trinken, eine Besorgung zu machen oder vorbei kommen und mir Gott-weiß-was-Tolles angucken. In den letzten Monaten sage ich immer häufger nein. Ich bin selbst abgelaufen und unentspannt, reizbar und fahrig.
Diese Woche feiere ich ein paar Überstunden ab und habe frei. Und mal wieder quälen mich mehrfach täglich diese Anrufe. Ich gehe z.T. gar nicht dran. Doch wenn ich mal dran gehe, bekomme ich gleich meine Strafe: Die Jammerstories sind länger, schillernder und dramatischer, als wenn ich sie mir sofort und vielleicht sogar persönlich angehört hätte. Da bekomme sogar ich schlechte Laune.

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...
ich wars nich.

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Nee, Du warst's nicht. Und Du bist's auch nicht.

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Das klingt nach Familie.

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Ja, so ist das wohl. Und das macht es besonders schwierig.

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Wem sagen Sie das... *seufz*... Sie sind jedenfalls nicht allein.

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Ja, die Spreepiratin klagt auch über dieses Phänomen. Ich bewundere Sie für den festen Willen das zu ändern. Ich frage mich, wann ich das mal in erträgliche Bahnen gelenkt bekomme.

Wie gehen Sie damit um?

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Oh weh. Bei mir war es im vergangenen Jahr eine Freundin, deren Tiraden sich stundenlang am Telefon über mich ergossen. Wenn ich dabei einmal andeutete, dass bei mir nun ja auch nicht alles so rosig sei, bekam ich jedesmal prompt zu hören, ich hätte ja schließlich noch meine (Herkunfts-)Familie - ganz so, als hätte sie nicht sogar noch mehr Geschwister als ich und auch eine Mutter. Irgendwie fühlte sie sich immerzu vom Leben ungerecht behandelt, und ich fühlte mich immer unwohler. Das Ganze ist dann im Frühjahr eskaliert, als ich wagte, leise Kritik zu üben. Sie machte mir per Mail eine Riesenszene: "Schluss! Aus!" usw., ich mochte gar nicht mehr darauf antworten.

Danach fühlte ich mich so erleichtert.

Was das Gezerre an Ihnen angeht, so steht dahinter vielleicht noch etwas anderes, was sich auf diese Weise äußert. Einen klugen Rat weiß ich aber leider auch nicht.

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So lange so ein Rumgezerre nur über ein paar Tage oder auch Wochen geht, weil ein Mensch Liebeskummer oder andere belastende/betrübende Situationen zu überstehen hat, habe ich wenig Probleme damit. Nur muss der andere sich irgendwann auch mal Kritik gefallen lassen. Wenn eine "Freundschaft" das dann nicht erträgt, dann war es auch keine.

In meinem Fall dauert die Situation im Familienenkreis nun schon über 20 Jahre. Ich gebe zu, dieser Mensch hat es schwer, tut sich aber auch etwas schwer. Sie erwartet zu viel von mir, was ich ihr auch regelmäßig sage. Sie muss ihr Leben mehr selbst in die Hand nehmen. Ich bin aber davon abgekommen, ihr dabei zu helfen. Sie muss das selbst kapieren und vor allem tun. Vorher wird das nicht aufhören.

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In meinem Fall dauerte das 2 1/2 Jahre - also nichts, im Vergleich zu den 20 Jahren, die Sie das schon erleben.

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Leider kann ich nicht wirklich gut damit umgehen; das schwankt je nach eigener Verfassung. Ab und zu versuche ich es mit Ignorieren und ersticke dann fast daran oder an dummen Schuldgefühlen. Ich habe es mehrfach mit Aussprache versucht - ziemlich sinnlos. Schlimm ist, wenn dann noch so ein negativer Touch dazukommt und in jeder Suppe die Haare gesucht und gefunden werden. Damit kann ich ganz ganz schlecht umgehen. Tja, wenig hilfreich, sorry... ;-(

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@ Frau Arboretum: 2,5 Jahre ist verdammt lang. Ein normaler Mensch muss nicht so lange jammern. 20 Jahre lässt man sich leider höchstens von einem Familienmitglied gefallen. Und das auch nur, um andere Familienmitglieder zu entlasten.

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@ Frau Schlüsselkind: Es ist nicht wichtig, ob sie tolle, hilfreiche Tipps parat haben oder nicht. So ist es mir im Grunde sogar lieber. (Rechts verlinkte Frau Fragmente lehnt jegliche Ratschläge sogar ab!) Mir ist es deutlich lieber, zu wissen, dass jemand nachempfinden kann, wie es mir geht.

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Nun ja, aber man möchte doch gerne schlaue Kommentare abgeben und nicht herumjammern. ;-) Jedenfalls ist es erstaunlich, wie verbreitet diese innerfamiliären Konflikte sind.

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Von einer Kollegin lernte ich in einem ähnlichen Gespräch einmal:

Unter jedem Dach
wohnt ein "Ach"!


;o)

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Nun ja, sie war damals nach ihrem Examen ein Jahr auf der Suche nach einer Anstellung und arbeitete prekär. Als sie dann eine Mutterschutz- und Elternzeitvertretung bekam, hatte ich eigentlich schon gedacht, dass es besser würde. Aber da war halt (ihrer Meinung nach) der eine Kollege ein geiler Chauvinist, der Chef unfair und die Stadt sowieso doof, weshalb sie jedes Wochenende pendelte und sich dort auch nicht einlebte.
Nun ja, irgendwann wurde auch mir klar, dass es nicht so sehr an ihrer Lebenssituation lag, sondern einfach ihre Art ist, immer motzig zu sein und sich vom Leben ungerecht behandelt zu fühlen.

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recording time: 6920 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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