Freitag, 16. Juni 2006
Old stuff
G. und ich stehen ja auf so altes Zeug. Auf dem Trödel letztens lernte G. einen Fahrradfreak kennen, indem er ihm hinterher lief und ihn auf sein altes Alpenrad ansprach. Es entspann sich ein längeres Gespräch, in dem der Typ und anbot uns mal seine Sammlung und Hobby-Werkstatt für Fahrräder und alte Citroens anzusehen.
Heute waren wir da. War das voll! Ich sah bestimmt 30 2CV-Türen in unterschiedlichen Farben, daneben Rollverdecke zu Hauf. Ganz hinten bastelte er gerade an einem sehr alten DS und ganz ganz hinten, wo man nur hinkam, wenn man den Mut besaß seine Klamotten sehr dreckig zu machen, sah man so einen alten Wagen - wie heißt er noch? ... "Tatra" ... stimmt - in dem die russischen Politiker immer durch die Gegend kutschiert wurden.



Und dazwischen standen alten Fahrräder. Oder die Gerippe derer hingen herum. Da waren Adler-Getriebe-Räder,



ein Wanderer Damenrad - wunderschön, aber leider nur der Rahmen - und viel anderes Zeug.
Dann fuhren wir zu ihm nach hause. Er raste in seiner roten Ente vor uns her und demonstrierte in jeder Kurve die schnittige Kurvenlage seines Gefährts. Wo 50 erlaubt war, heizte er mit mind. 80 rum und wir hatten in den Kurven mit dem Schlachtschiff Audi 100 einige Probleme zu folgen... dabei ist G. kein vorsichtiger Fahrer.

Der Karosseriebauer wohnte in einem schlichten, gepflegten Mehrfamilienhaus, in dem er mehrere Ecken der Tiefgarage und des Fahrradraumes für seine Leidenschaft in Beschlag nimmt. Schon das Damen-Bäckerfahrrad begeisterte mich.



Aber dieses regelmäßig in den Keller schlepen zu müssen, würde meine Begeisterung doch sehr schnell dämpfen.
G. schlich um ein perfekt restauriertes Alpenfahrrad. Dies stand aber nur im absoluten Ausnahmefall zum Verkauf. Aber das Getrieberad ist ja auch sehr interessant... muss halt nur noch was dran gemacht werden.
Mir bot der Mann ein Damenfahrrad an, von dem er selbst noch nicht allzuviel wusste. Und ich weiß nur: dunkelrot mit einer sehr feinen Linierung, mit Verzierungen am Rahmen, Drei-Gang und dem Schriftzug "Helios" am Rand. Vordere Lampe und Rücklicht sind klein und Original. Auch hier müsste was dran gemacht werden. Das ganze für 50, - €. "Man muss auch gönnen können" sagte der Sammler trocken.

Leider finde ich zu dem Rad keinerlei Angaben oder Bilder im Netz. Und leider finde ich in mir auch keinerlei Entscheidung. Kaufe ich mir das schöne Fahrrad?

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Vielleicht mal probefahren
und probeschleppen? Ich hab mich von einer super erhaltenen NSU-Herrenrad-Antiquität getrennt, weil es mir auf Dauer too much war, das schwere Teil nach Benutzung in den Fahrradkeller zu schleppen. Im Hinterhof konnte man das gute Stück ja auch nicht mit gutem Gewissen stehen lassen wegen akuter Diebstahlgefahr. Ich hab dann stattdessen ein gebrauchtes Rennrad erstanden, das ich auch einigermaßen mühelos in den 3. OG tragen konnte.

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Das Helios war schon beim ersten Anpacken und Heben leichter als meine jetzige Uralt-Gazelle.
Und Probefahren ohne Gangschaltung und Sattel wird schwierig.

Oh, sehr schade um das gute Stück! Warum haben Sie es nicht eingelagert und auf bessere Wohnverhältnisse gehofft?

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Ich hatte keinen anderweitigen Leidensdruck, die Wohnung zu wechseln. Das passte schon alles. Das Raleigh-Rennrad (ein super Schnäppchen von einer Kollegin, die mutterschaftsbedingt was alltagstauglicheres brauchte) lief mir zu einem Zeitpunkt über den Weg, als ich anfing, etwas mehr und sportlicheren Bewegungsdrang zu entwickeln. Das NSU-Rad hat denn auch einen würdigen Abnehmer in meinem Freundeskreis gefunden. Jetzt, wo sich meine familiäre Situation geändert hat, habe ich noch ein Peugeot-Trekkingfahrrad geerbt, das absolut familientauglich ist (Anhänger-Kupplung etc.). Das richtige Rad wird einen schon zu finden wissen, davon bin ich inzwischen überzeugt. Dem NSU-Rad hab ich noch keine Sekunde nachgetrauert. Schön, dass ichs hatte, als ich es brauchte, mehr nicht.

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Ähnliches vermute ich bei mir auch. Die Freude etwas zu besitzen, aber nicht die brennende Leidenschaft hierfür. Wobei die vermuteten 10 kg weniger schon ein Gewinn wären. Und mein jetziges Farrad ist ja auch schon fast so ein Schätzchen (zumindest habe ich hier in unserem Land bereits Probleme, meine Gangschaltung in Stand zu setzen, weil es die Teile hier nicht mehr gibt.)

Ich finde es schade, das die Familiensituation solche Dinge aus einem Leben verdrängen kann. Ich weiß, dass das nciht so sein muss. Aber ich weiß auch, dass es sehr oft so ist.

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Gazelle ist aber auch schick. Ich hatte neulich ein feines altes Damenrad auf dem Flohmarkt begutachtet - mit wirklich schöner alter Lampe, 3-Gang-Schaltung und "Kühlerfigur". Aber dann schreckte mich der Händler ab, als er meinte, das sei noch aus der Zeit vom "Adolf". Wenn Sie keine langen Strecken abreißen wollen, würde ich das Helios zu einem vernünftigen Preis nehmen. Zumal alles was Sie von dem Händler schrieben, darauf hindeutet, daß er es vernünftig restauriert.

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Die Sammlung des Menschen befindet sich in Auflösung. Das Helios würde ich unrestauriert bekommen. Aber es muss wirklich nur recht wenig dran gemacht werden. Der Rahmen und alles andere was vorhanden ist, ist in einem sehr guten Zustand.
Hier im Dorf fährt jeder, der was auf sich hält eine Gazelle. Das ist mein grauer, alter Esel zwischen den ganzen Schicki-Micki-Gazellen wenig auffällig. Hat aber den Vorteil: Die klaut mir keiner. Wobei ich ungern mit ihr fahre. Sau-schwer und et tut nur noch der dritte Gang... und dann kommt bald 'ne Brücke.

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Hm, Herr Kid,
ich bin ja nicht so firm, was bizyklische Technik-Geschichte angeht, aber ich hatte bisher angenommen, die Dreigangschaltung sei erst nach dem Krieg aufgekommen. Aber ich kann mich täuschen. Auf alle Fälle hätte ich es auch nicht als Kompliment aufgefasst, wenn der Händler versucht hätte, mir den Drahtesel mit diesem Hinweis schmackhaft zu machen.

@diagonale: Wenn der Rahmen noch gut ist und sonst nicht viel zu machen ist, dann würd ich mich evtl. sogar breitschlagen lassen. Btw: Ich frag mich ja immer wieder, wie die im Wal-Mart oder im Obi vollgefederte Mountainbikes mit allem Shimano-Pipapo anbieten können für 199 Tacken...

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Ich war auch erstaunt, was die Nabenschaltung anging. Aber Beleuchtung und andere Details deuteten tatsächlich auf 40er Jahre. Müßte man mal recherchieren, wie das so war mit dem Herrn Sachs.

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G. und ich befinden und gerade im Farradwahn. Gerade ermittelten wir, dass es die ersten Dreigangschaltungen schon 1933 gegeben haben muss. Also schon vor dem Krieg.

Ach, die neuen Dinger... na, ich weiß nicht. Habe ich wenig Spaß dran. Die finde ich weder schön noch sonst was. Da bin ich schon bereit für ein altes Fahrrad gleiches zu investieren.

Sowas ist doch genial!

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Wow!
Was ein Pracht-Ross! Mich reizen ja diese neuen, bunten Hip-Hop-Böcke auch überhaupt nicht. Ich grübel halt nur immer wieder mal rum, wenn mir die Prospekte in den Briefkasten flattern: Wie geht es zu, dass in einem 199-Euro-Rad Einzelkomponenten verbaut sind, deren Gesamtpreis ohne Rahmen sich auf einen Betrag addiert, der weit darüber liegt?

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Ja, das ist in der Tat wirtschaftlich wundersam. Man wird das wahrscheinlich mit den Staffelpreisen der jew. Hersteller begründen. Denn wer eine solche Massenware herstellt und verbaut, kann eben auch Großhändlerpreise nochmal drücken...

Mr. Kid: Falls das mit dem Aufsitzrasenmäher mal nicht so läuft, wie wäre es hiermit?

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Naja,
dass die Komponenten im b2b nicht zu Endverbraucherkonditionen über die Theke gehen ist klar. Aber wenn ich da von einigermaßen plausiblen Spannen ausgehe, bleibt für den Rahmen immer noch wenig bis fast gar nichts übrig. Darin liegt für mich das eigentliche Mysterium der Baumarkt-Räder. Werden die Rahmen von behinderten chinesischen Waisenkindern mundgeschmiedet, um so billig sein zu können, oder wie ist das zu verstehen?

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Zum einen dürfte das zu Lasten der Qualität gehen. Zum anderen verdienen die einfach ander Masse.
Und ob da ihrgendwelche sonnenbeschienenen, glücklichen Weisenkinder aus Ghana dran beteiligt sind, ist nicht auszuschließen.

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Anyway:
Wir driften eh zu weit ab vom Antiquitäten-Thema. Zu dem Tatra da oben drängte sich mir noch die Frage auf, ob das wirklich die Marke der ZK-Vorsitzenden und anderer UdSSR-Granden gewesen ist. Auf jeden Fall nicht die einzige und exklusive, denn da gabs auch noch Wolga und Sil. Aber die alten Tatras haben wirklich eine besondere Note. Von schräg hinten gesehen haben die so was schabenhaftes und futuristisches zugleich.

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Jaja... doch doch... die wurden ebenfalls für die obersten Polits eingesetzt. Zwar nicht dieses Modell da,



welches ich heute sah, aber doch die alten Schätzchen:

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Die auf Amischlitten à la Lincoln getrimmten Staatskarossen mit den verchromten Haifischmäulern finde ich bei Tatra aber nicht. Ich vermute mal, dass die Wolgas in der Ära nach den Tatras zum Einsatz kamen. Für heute bin ich zu müde, der Sache noch nachzugoogeln, ich werd da aber nochmal nachhaken interessehalber. Auf alle Fälle mal danke für die Anregung und gute Nacht einstweilen!

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Danke, selbiges wollte ich auch gerade wünschen. Der Tag war lang und aufregend. Schlafen Sie schön!

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recording time: 6920 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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