Dienstag, 16. Dezember 2008
"Schön, dass Du da bist."
... begrüßte er mich heute mit etwas kräftigerer Stimme. Mein Bruder schaut ihn auch begeistert an. "Du sprichst ja wieder!" freute er sich. Mein Bruder war die ganze letzte Nacht bei meinem Vater geblieben und hatte ihm versprochen am Nachmittag nochmal kurz rein zu schauen. Er hatte allerdings nicht viel Zeit, so dass ich bald wieder mit meinem Vater allein war. Er war recht munter. seine Sprache war viel deutlicher als gestern, wenngleich noch nicht wieder ganz klar. Er wollte gerne etwas trinken und trank gleich 2 Becher hintereinander weg. Dann meinte, er wolle gerne eine saftige Birne oder einen süßen Apfel essen. Leider hatte ich keines von beiden da. 5 Minuten später brachte die Schwester das Abend essen... und? Tadaa! Da lag eine Birne mit dabei! Ich schnitt sie meinem Vater in kleine Stückchen, die er mit Genuss aß. Er schaffte zwar nur ein Viertel und schlief dann erst mal wieder ein, aber ich war überglücklich. Sein Zustand hat sich deutlich gebessert.
Irgendwann machte er wieder auf und bat mich, ihm die Bettdecke zur Seite zu schlagen, was ich auch tat.
Er versuchte sich aufzurichten. "Wo willst Du denn hin?" "In den Flur und dann ins Wohnzimmer." "Ich fürchte, Du musst liegen bleiben." Er schaute mich überrascht an. "Oh, dann musst Du mich wohl wieder zudecken." sagt er und kuschelte sich wieder ins Bett. "Ist A. (meine Mutter) in der Küche?" fragte er mich. Ich antwortete: "Nein, sie ist kurz eine Besorgung machen." "Ob sie wohl Äpfel mitbringt?" "Bestimmt."
Bald daruf kam auch G. dazu. Allerdings war mein Vater schon wieder eingeschlafen un mir blieb nur, ihm die eiskalten Hände zu wärmen und mit G. murmelnde Gespräche zu führen. Ich erzählte G., dass mein Vater hier in diesem Haus früher Konsiliararzt gewesen ist, dass ich hier geboren bin und J. auch. Über des Gesicht meines Vater huschte ein leichtes Lächeln. "Jaa..." sagte er leise.
Während seiner Nickerchen hörte er fast jedes Wort und wenn es ihm interessant erschien, murmelte er immer wieder einen Kommentar.

Irgendwann wurden seine Nickerchen jedoch länger und sein Schlaf immer tiefer und ich hatte das Gefühl, dass wir ihn nun langsam mehr störten und immer wieder weckten, als dass ihm unsere Gegenwart geholfen hätte. Ich deckte ihn nocheinmal gut zu, streichelte ihn mit meinen Gummibehandschuhten Händen über der verwuschelten Kopf und wünschte ihm eine gute und erholsame Nacht.

Nein, das ist noch nicht das Ende. Es ist immernoch nicht klar, ob er wieder gehen oder sehen können wird. Und der Infekt den er hat, könnte evtl der Noro-Virus sein. Das muss man noch ausschließen. Es ist ebenso ungewiss, wie er oder wir dieses Jahr das Weihnachtsfest verbringen werden. Der Chefarzt sagte zu meiner Mutter heute was von "nächste Woche Reha", was meine Mutter nicht begeisterte. Da für meinen Vater seit dem Beginn seiner Demenz Nestwärme sehr wichtig ist, wäre eine Reha für ihn erst mal sehr schlimm und es würde ihn sicher erst mal zurückwerfen. Im Krankenhaus entwickelt er gerade sogar schon so heimische Gefühle, dass er denkt, er sei zuhause und das tut ihm gut.
Ach, es ist immernoch alles ungewiss. Aber ein deutlicher Aufwärtstrend zeichnet sich ab. Damit gebe ich mich für heute zufrieden.

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Das ist schön zu hören. Kleine Schritte, kleine Momente. Ihnen allen weiter alles Gute.

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Wollte ich auch gerade schreiben. "In kleinen Schritten denken!" Ich drücke die Daumen. Und wünsche Dir viel Kraft!

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Ja, es sind genau diese kleine Dinge, an denen man erkennen kann, dass es etwas aufwärts geht. Wie weit das gehen wird, kann uns keiner sagen. Aber ich bin da recht genügsam. Es macht mich schon froh, wenn er noch einige glückliche Momente gibt, die das Leben noch lebenswert machen.

Schwieriger könnte es in den nächsten Tagen mit meinen anderen Familienmitgliedern werden. Ich glaube, ich bin die einzige, die den Jetzt-Zustand ansatzweise akzeptieren kann, die nicht die ganze Zeit dem Mann, der er gewesen ist, hinterher trauert.

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Meine Mutter rief mich eben an. Sie war den ganzen Morgen im Krankenhaus und rief an, um mir freudig zu sagen, das es meinem Vater wieder etwas besser ginge. Er habe wieder etwas mehr gegessen und auch wieder etwas besser mit ihr sprechen können.
Sein Fieber ist nun ganz zurück gegangen, seine Infektion ist im Griff und man braucht sich nicht mehr zu verkleiden, um sein Zimmer zu betreten.

Nun hat's meine Mutter erwischt. Eine dicke Nebenhölenentzündung lässt sie klingen wie eine französische Gouvernante. Sie wird sich heute beim Friseur verwöhnen und verschönern lassen und sich richtig Zeit dafür nehmen. Denn das ist etwas, was sie in den letzten Jahre nur sehr selten getan hat, um meinen Vater nicht so lange allein zu lassen.
Ich gönne es ihr.

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recording time: 6889 Tage
last track: 2014/01/25 19:09
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