Montag, 21. April 2008
Demotivierend
diagonale, 16:53h
Um die Schul-Motivation meines Kindes steht es ja, wie hier hinlänglich bekannt ist, nicht besonders rosig. Doch ein Punkt, der ihr Lust auf Schule machte, war der anstehende Schüleraustausch mit Brasilien. Ich schreibe bewusst war, denn ich habe abermals Post von der Schule erhalten. Erst wollte ich den Brief nicht öffnen, weil der letzte 2 blaue Briefe enthielt. Aber es nutzt ja nix. Also auf machen! Da bekam ich dann also zu lesen, dass es ja nur 19 brasilianische Schüler gebe, die nach Deutschland kommen wollen und sich an unserer Schule aber 40 Familien als Gastfamilien zur Verfügung gestellt haben. Jaja, die Auswahl fiel schwer und leider leider sind wir nicht dabei.
Tja, dumm das. J. fand das wirklich spannend und so toll, dass sie gerne Extra-Schulstunden auf sich genommen hätte, um vorher noch einige Brocken Portugiesisch zu lernen. Ich weiß, dass so eine Auswahl wirklich schwer sein dürfte. Für meine Tochter ist es aber dennoch großer Mist. Es hätte ihr einen positiven Kick gegeben. ... comment
mark793,
Montag, 21. April 2008, 17:04
Hm,
ich verstehe die Enttäuschung. Aber wenn ich mich bemühen würde, das Positive zu sehen, dann würde ich sagen: Es bleibt ihr mehr Zeit, sich auf die wirklich wichtigen Baustellen zu konzentrieren. Ich meine, paar Portugiesisch-Vokabeln für den Smalltalk pauken, das rettet ihr versetzungstechnisch ja nicht den A*sch.
SIe müssen ihr auch klarmachen, dass die Tatsache, dass Sie nicht als Gastfamilie ausgewählt wurden, durchaus im Zusammenhang mit den schulischen Leistungen von Mademoiselle J. gesehen werden muss. Einer Schülerin, die wackelt, bindet man nicht noch Austauschschüler ans Bein, das ist ja wohl klar. Sie muss den Schuss endlich hören, und wenn dieser kleine Knall die Sensibilität dafür erhöht, umso besser. Nennen Sie mich altmodisch oder gar verknöchert, aber ich hätte es nicht unbedingt für das richtige Signal gehalten, sie mit dem Gastschüler für ihre maue Leistung auch noch zu belohnen. ... link
diagonale,
Montag, 21. April 2008, 17:13
Damit werden Sie ebenfalls Recht haben.
Der Vollständigkeit halber sollte ich aber vielleicht erwähnen, dass es hier am Wochenende, trotz zahlreicher Grippeviren, sehr laut geknallt hat. Urspünglich sollte J. das komplette Wochenende mit ein paar Freundinnen in einer idyllischen Waldhütte mit Holz hacken und Plumpsklo im Sauerland verbringen. Da sie am Freitag nach dem Elternsprechtag bereits auf dem Weg und ich doch ziemlich angeschlagen war, habe ich sie nicht sofort wieder abgeholt, sondern erst am Samstag. Acht bockige und aufgebrachte Mädels standen rund ums Auto, als wir in der Einöde eintrafen. Sie dachten, ich hätte das mit dem Abholen nicht ernst gemeint und redeten wild auf mich ein. Der Vater der Gastgeberin schüttelte verständnislos den Kopf. Es war mir egal. Spaß hatte sie in den letzten Monaten genug. Und dann hieß es hier Kontemplation. Handy und Telefone abgestöpselt, Computer- und Fernseh-Kabel eingeschlossen und den nicht zu ignorierenden Auftrag bis Sonntagabend sämtliche schulischen Dinge in feinster Ordnung auf meinen Schreibtisch zu legen, inklusive aller anstehenden Hausaufgaben. Sie hatte gut zu tun. Jetzt bestehen hier Grundschulverhältnisse. Ans Telefon und den Computer darf sie täglich erst, nach Vorlage des Hausaufgabenheftes und der erledigten Arbeiten. Freiheiten werden nicht generös bewilligt, sondern müssen sich erarbeitet werden. Sie meint, es könne nicht mehr schlimmer werden. Doch, habe ich ihr gesagt. Es kann. Wenn sie aber mitmacht und gute Ergebnisse zeigt, werden die Zügel gelockert. Es liegt in ihrer eigenen Hand. ... link
mark793,
Montag, 21. April 2008, 17:24
Aber hallo!
Angesichts der ernsten Lage halte ich das aber für gerechtfertigt.
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diagonale,
Montag, 21. April 2008, 17:26
Ich sollte vielleicht ein paar Mal diese Sendung mit dem Bootcamp gucken. So zum Sammeln von Anregungen, falls es schlimmer wird. ;o)
Edit: Prophylaktisch möchte ich darauf hinweisen, dass ich ein echtes Bootcamp nicht als echte Alternative für meine Tochter betrachte! ... link
mark793,
Montag, 21. April 2008, 17:54
Ja, schon klar.
Hatte ich jetzt auch nicht ernsthaft angenommen. Aber man muss ja wissen, wo man selber steht auf der Skala der Erziehungsmöglichkeiten.
Mir hat mein Vater immer angedroht, spätestens "beim Barras" werde man mir schon Ordnung beibringen. Ich darf vermelden, dass der Bundesluftwaffe dabei aber kein dauerhafter Sieg gelungen ist. ;-) ... link
bluetenstaub,
Montag, 21. April 2008, 17:58
Was mir beim Lesen grad durch den Kopf ging: Ist sie denn mit dem Gymnasium überhaupt auf der richtigen Schule? Würde sie sich nicht auf einer Realschule leichter tun und hätte dort vielleicht auch ein paar mehr Erfolgserlebnisse?
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giardino,
Montag, 21. April 2008, 18:11
Wirklich schade. Ich bin — vielleicht etwas abweichend von Hrn. Mark — davon überzeugt, dass echter innerer Antrieb aber nur durch positive Motivation erreicht werden kann. Das heißt weder, dass die Schule zum Ponyhof werden muss, noch, dass eine Jugendliche für ihre schulische Laufbahn nicht in erster Linie selbst verantwortlich wäre.
Aber Druck und Drohungsszenarien alleine rufen bei selbstständigen Menschen erst einmal nur einen natürlichen Gegendruck hervor. Erst, wenn man sich mit einer Aufgabe oder einem Ziel identifizieren kann (und das geht nur in positiver Weise), kann der Wechsel vom "ich muss" zu "ich will" erfolgen. Dann werden auch die weniger angenehmen Seiten der Medaille (lernen, arbeiten...) plötzlich akzeptabel, denn sie sind Konsequenzen einer eigenen Entscheidung. Je größer das Ziel und je weiter weg es liegt, desto öfter müssen zwischendurch Erfolgserlebnisse (und ja: Spaß) absehbar sein. Wer seine Zeit nur für wirkliche Baustellen verplant, kommt nicht weit. Amen. :) Verzeihen Sie den Schulmeisterton, ich arbeite mich gerade durch mein Aufschiebeproblem und habe den Eindruck, ein paar Aspekte an meinem eigenen Verhalten endlich in den Griff zu bekommen. ... link
bluetenstaub,
Montag, 21. April 2008, 18:35
Sehr schön auf den Punkt gebracht, Herr Giardino.
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diagonale,
Montag, 21. April 2008, 19:09
@bluetenstaub: Keiner der Lehrer, mit denen ich gesprochen habe, bezweifelt, dass sie auf der richtigen Schule ist. Sie selbst auch nicht. Denn wenn sie was tut, schreib sie durchweg gut oder sehr gut. Und selbst für diese Leistungen reißt sie sich kein Bein aus und hat noch Zeit täglich (!) ihre Freundinnen zu sehen.
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mark793,
Montag, 21. April 2008, 19:15
Auch ich möchte Ihnen
frenetisch beipflichten, Herr Giardino. Umso mehr, je allgemeiner wir das Thema betrachten. Aber wenn wir hier über eine 13- oder 14-Jährige sprechen, die momentan grad alles andere wesentlich mehr interessiert als der Schulscheiß, dann weiß ich nicht, ob man mit der Erziehung zur Selbstständigkeit die sprichwörtliche Kuh jetzt noch rechtzeitig vom Eis bekommt.
Ich behaupte mal, es wäre mir an Frau Diagonales Stelle für den Moment nahezu egal, ob ich einen "echten inneren Antrieb" in der Tochter wecken kann, oder ob ich mit ein paar nicht so populären Maßnahmen zumindest noch versuche, die akute Katastrophe der zweiten Ehrenrunde und des Schulverweises abzuwenden. Wenn das nur mit einem gewissen Druck funktioniert - so be it. Zur Kuschel- und Laberpädagogik gibt es später eh keine Alternative mehr, wenn die Kleine mal die 16 hinter sich hat. Dann kann man darauf aufbauend immer noch daran gehen, die intrinsische Motivation gezielt zu stärken, auf mehr positive Anreize zu setzen. Aber im Moment glaube ich fast, es könnte (zumindest kurzfristig) sinnvoller sein, die gute J. den Schuss wirklich hören zu lassen. Notfalls auch mit der Ansage, dann gehste eben von der Schule runter und guckst, wie Du Dich sonst durchschlägst. Mir konnte man in dem Alter jedenfalls nicht kommen mit irgendwelchem Gewäsch von wegen aber Junge, denk doch an Deine Zukunft und setz Dich auf den Hosenboden. Nun war ich dank meiner guten Auffassungsgabe und speziell der Sprachbegabung in der Lage, die Schwächen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich immer so auszugleichen, dass ich nie was tun musste für meine Versetzung. Aber wäre es anders gewesen, hätte mich mit 14 allenfalls der Druck, notfalls von der Schule runter und in die Maloche zu müssen, dazu gekriegt, mich mal auf den Hosenboden zu setzen. ... link
diagonale,
Montag, 21. April 2008, 19:15
@giardino: Im Grunde teile ich Ihre Ansichten. Ich habe nun monatelang gedacht, sie wäre so weit, selbst einschätzen zu können, wann sie wieviel tun muss, um durch zu kommen. Ich erwarte keine Höchstleistungen, aber ich erwarte, dass sie es nicht zum Sitzenbleiben (was in diesem Fall mit Schulverweis gleichzustellen ist) kommen lässt.
Im Augenblick bin ich der festen Überzeugung, dass sie diesen Tritt in den Hintern braucht. Und wie ich weiter oben schon schrieb, hat sie es selbst mit in der Hand. Ich bin wirklich gerne bereit ihr wieder mehr Freiheiten zu gewähren, wenn ich sehe, dass sie vernünftig mitarbeitet und dies auch ohne Ermahnungen und mit einem gewissen Selbstverständnis schafft. Zur Aufschieberitis: Ich kenne das Problem selbst sehr sehr gut. Es hat mich sogar schon ganz böse Geld gekostet. Aber auch da war es ein Tritt in den Hintern, der dem Ganzen ein Ende setzte. Ohne Denkzettel geht es oft nicht. Und genauso oft, ist dann aber auch erst mal gut. Und genau als solches möchte ich meine Aktion vom Wochenende verstanden wissen: Ein Denkzettel, ein Tritt in den Hintern, eine logische Konsequenz. Denn genau mit solchen bzw. ähnlichen Maßnahmen müssen wir alle in unseren Jobs rechnen, wenn wir jenen nicht anständig machen. Je früher man das lernt, desto weniger tragisch werden die Folgen sein. ... link
diagonale,
Montag, 21. April 2008, 19:17
@bluetenstaub. Jawoll! In ausgeprägtester Variante. *seufz*
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mark793,
Montag, 21. April 2008, 19:59
@diagonale:
Ich denke, Sie machen das richtig. Wenn J. eben noch nicht so weit ist, ihr Tun und Lassen so zu justieren, dass es zum Erreichen der schulischen Minimalziele reicht, dann ist man als Erziehungsberechtigter nun mal in der Verantwortung - umso mehr, wenn allen Beteiligten klar ist, dass es nicht an der nötigen Intelligenz fehlt.
Dass einem diese Intelligenz auch durchaus im Weg stehen kann, sein Potenzial in der Schule voll auszuschöpfen, das habe ich ja selber vorgelebt und kann es daher auch gut nachvollziehen. Auf den Trichter, wirklich Dinge wissen zu wollen, die da gelehrt werden, kam ich erst später an der Uni. Und um Wissensdurst zu entwickeln, musste ich auch erst die geistlose Durststrecke des Grundwehrdienstes hinter mich bringen... ... link
giardino,
Montag, 21. April 2008, 20:08
Ah, ich habe nichts gegen Tritte in den Hintern gesagt. Richtig und wichtig. Hinterntritte sind aber nie mehr als ein momentaner Anstoß, in die Gänge zu kommen. Niemand kann oder will ständig treten.
Und dass lauwarme Appelle wie "Junge, denk doch an deine Zukunft" ungefähr so motivierend sind wie <hier Vergleich mit essbarem Gegenstand der Wahl einsetzen>, darüber sind wir uns sicher einig. Ich bezweifle aber, dass Reden, die die triste Unabänderlichkeit, Schweiß und Tränen der Schul- und Arbeitswelt beschwören, den "Ernst des Lebens", dem man sich ohnehin nicht werde entziehen können, mittelfristig mehr bewirken werden außer weiter steigendem Unwillen. Konsequenzen vor Augen führen ist gut, aber bitte auch die positiven. Zum Beispiel, dass er/sie mit Abi die Wahlfreiheit haben wird, sich für Beruf und/oder Studium zu entscheiden, das den eigenen Interessen und Fähigkeiten entspricht. (Später genügend Geld zu verdienen, sein Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können etc.) An früher geäußerte Wünsche und Berufsvorstellungen erinnern. Fragen, wie sie sich die nächsten Jahre vorgestellt haben - nicht rhetorisch-vorwurfsvolles, sondern ernst gemeintes, freundliches Fragen, um sie dazu zu bringen, ihren Weg zu überlegen und selbst drauf zu kommen, dass sie dahin mit nur Rumhängen nicht kommen werden. Und deutlich machen, dass man unterstützend da ist, wenn's knirscht, aber ihn/sie auch für klug und reif genug hält, im Wesentlichen aus eigener Kraft dorthin zu kommen. Sowas halt. :) ... link
diagonale,
Montag, 21. April 2008, 20:58
Allsowas ist hier automatisch im Servicepaket enthalten und absolut selbstverständlich. Allerdings sind solch rationale Gedankengänge bei 14jährigen noch nicht fest verankert. Der Wille zum Abi und deswegen möglichen Studium ist da und fest das angestrebte Lebenskonzept eingewebt. Dass man aber schon heute daran strickt, entfällt der jungen Dame immer wieder. Die Gegenwart und die Freunde sind lockender und spannender. Da vergisst man so was schon mal leicht.
Ich möchte Sie nocheinmal daran erinnern, dass es sich hier um einen vollpubertierenden Teenager handelt, auf dessen Stirn sehr oft der Stempel "Vorrübergehend geschlossen" zu prangen scheint. Zukunftsorientiertes Denken ist zuweilen zu viel verlangt. Und ich kenne durchaus die Kraft der positiven Verstärkung. Ich habe sie oft genug eingesetzt. Aber auch dies hat nun monatelang ganz und gar nicht gefruchtet. Obiges ist und bleibt logische Konsequenz. ... link
giardino,
Dienstag, 22. April 2008, 00:41
(Ups. Verzeihung, es sollte nicht so besserwisserisch klingen, wie es offenbar rüberkommt. Zumal es als Antwort auf Hrn. Mark gedacht war.)
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mark793,
Dienstag, 22. April 2008, 00:59
Is schon klar.
Aber ich hatte meine Einlassung ja auch in dem Wissen getätigt, dass diese positiven Anreize (die Sie völlig zu Recht ins Feld führen, Herr Giardino) im diagonalen Erziehungsprogramm durchaus ihren festen Platz haben.
Wenn es jetzt bei uns soweit wäre, würde ich nicht zögern, Frau Diagonale (und alle anderen Anwesenden dieser Runde) um Rat zu fragen. ... link ... comment |
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last track: 2014/01/25 19:09 on stage
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Ich bin auch gern hier....
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schade...
Liebe Frau Diagonale, schade dass Sie fort sind. Kommen... by kleines fluffiges (2013/02/08 00:23) other studios
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